Wie viele Habitatbäume ausweisen?

Die Antwort auf diese Frage hängt vom Kontext ab. Nebst der Waldgesellschaft spielen das Alter der Bestände, die Bewirtschaftungsintensität sowie eventuelle Vorkommen bedrohter Arten eine Rolle. In einem Forstbetrieb mit intensiver Holznutzung und wenig stillgelegten Altbeständen wird es mehr Habitatbäume im Wirtschaftswald brauchen, um die Auswirkungen der Nutzung auf die mikrohabitatabhängigen Organismen abzudämpfen.

Über räumliche Vernetzung von Habitatbäumen und zeitliche Dynamik von Mikrohabitaten ist zur Zeit in der Literatur noch wenig bekannt. Trotzdem gibt es einige Empfehlungen, die von etwa 5 bis mindestens 10 Habitatbäumen pro Hektar im Wirtschaftswald reichen (Scheidegger & Stofer 2015, Bütler et al. 2013, Winter et al. 2016). Wichtig ist eine stetige Nachlieferung an Mikrohabitaten respektive Habitatbäumen, damit spezialisierte Arten ausweichen können, wenn ein Mikrohabitat ausfällt, z.B. Abbruch von einem dicken dürren Ast, Sturz von einem Höhlenbaum usw. Zudem können die Organismen Habitatbäume nur finden, wenn sie in Reichweite der entsprechenden Nutzer sind (>>Vernetzung).

Effiziente Bewirtschaftungsstrategien beinhalten das Ausscheiden von stillgelegten Flächen für den sogenannten Prozessschutz - Naturwaldreservate und Altholzinseln - auf Landschafts- oder Forstbetriebsebene in Kombination mit dem Erhalt von Habitatbäumen auf Bestandsebene. Denn Flächen ohne forstliche Eingriffe ermöglichen das Erreichen einer hohen Anzahl und Dichte von Mikrohabitaten, was im Wirtschaftswald trotz entsprechender Konzepte oft nicht möglich ist (Paillet et al. 2017). Ungefähr 10-20% der Waldfläche in natürlicher Dynamik scheinen für die Arterhaltung nötig zu sein (Larrieu et al. 2012). Heute weiss man, dass der natürlichen Dynamik gewidmete Flächen in montanen Buchen-Tannenwäldern >20 ha gross sein müssen, um die gesamte Diversität an Mikrohabitaten zu erreichen (Larrieu et al. 2014a).

Links und Dokumente

  • BÜTLER, R., LACHAT, T., LARRIEU, L., PAILLET, Y. 2013 : Habitatbäume: Schlüsselkomponenten der Waldbiodiversität, 86-95. In: Kraus D., Krumm F. (Hrsg.) 2013. Integrative Ansätze als Chance für die Erhaltung der Artenvielfalt in Wäldern. European Forest Institute. 300 S.
  • LARRIEU, L., CABANETTES, A., DELARUE, A., 2012: Impact of silviculture on dead wood and on the distribution and frequency of tree microhabitats in montane beech-fir forests of the Pyrenees. European Journal of Forest Research, 131: 773–786.
  • LARRIEU, L., CABANETTES, A., BRIN, A., BOUGET, C., DECONCHAT, M., 2014a: Tree microhabitats at the stand scale in montane beech-fir forests: practical information for taxa conservation in forestry. Eur. J. For. Res. 133: 355–367.
  • PAILLET, Y., ARCHAUX, F., BOULANGER, V., DEBAIVE, N., FUHR, M., GILG, O., GOSSELIN, F. GUILBERT, E., 2017. Snags and large trees drive higher tree microhabitat densities in strict forest reserves. For. Ecol. Manag. 389 : 176-186.
  • SCHEIDEGGER, C., STOFER, S., 2015: Bedeutung alter Wälder für Flechten: Schlüsselstrukturen, Vernetzung, ökologische Kontinuität. Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen, 166, 2: 75-82.
  • WINTER, S., BEGEHOLD, H., HERRMANN, M., LÜDERITZ, M., MÖLLER, G., RZANNY, M., FLADE, M., 2016: Praxishandbuch – Naturschutz im Buchenwald. Naturschutzziele und Bewirtschaftungsempfehlungen für reife Buchenwälder Nordostdeutschlands. Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft des Landes Brandenburg. 186 p. ISBN 978-3-00-051827-0