Beschreibung der sieben Grundformen mit jeweiligen Darstellungen

Höhlen im weiteren Sinn

Höhlen sind Löcher im Holz oder geschützte Plätze am Baum. Sie entstanden entweder durch Höhlenbauer wie zum Beispiel Spechte, durch im Holz lebende Insekten oder durch Holzzerrottungsprozesse. Besondere Wuchsformen am Stammfuss oder am Stamm können auch Höhlen im weiteren Sinn bilden. Sie bieten zahlreichen Arten, von Arthropoden bis zu Säugetieren, einen Ort zur Fortpflanzung mit ausgeglichenem Mikroklima. Spechthöhlen spielen auch für zahlreiche sekundäre Höhlenbewohner (Vögel, Fledermäuse, Nagetiere (Gliridae) und mittelgrosse Säugetiere (Mustelidae) sowie Wirbellose (Spinnen, Käfer, Wespen) eine wichtige Rolle. Mulmhöhlen entstehen meist in einem jahrzehntelangen Prozess. Sie dienen häufig Fledermäusen als Rast- und Ruheplätze, können aber auch von anderen kleinen und grossen Säugetieren, Echsen, Amphibien und Vögeln bewohnt werden. Je mehr Mulm sich ansammelt, umso komplexer können sich die Artengemeinschaften von u.a. Käfern entwickeln. Mulmhöhlen sind beispielsweise für den bedrohten Eremiten (Osmoderma eremita) lebenswichtig. Dendrotelme sind Höhlen, die zeitweilig oder dauerhaft mit Wasser gefüllt sind. Verschiedene Insekten (in erster Linie Dipteren) oder Kleinkrebse sind auf die Dendrotelme als Lebensraum angewiesen. Insgesamt werden 15 verschiedene Höhlentypen unterschieden.

Stammverletzungen und freiliegendes Holz

Stammverletzungen entstehen entweder auf natürlichem Weg durch mechanische Einwirkungen wie Steinschlag, Stamm- oder Kronenbruch durch Wind, Eis oder Schnee, aber auch Blitz, Frost oder Waldbrand, oder durch Beschädigungen der Rinde bei der Holzernte. Freiliegendes Holz kann sich über längere Zeit zu einer Höhle weiterentwickeln, falls der Baum die Wunde nicht überwallen kann. Stammverletzungen und freiliegendes Splint- oder Kernholz erleichtern vielen Erstbesiedlern den Zugang zum Holz. Sie sind eine bevorzugte Eingangspforte für Pilze, deren Sporen vom Wind verfrachtet werden. Verletzungen begünstigen auch die Besiedlung des Baumes durch xylobionte Insekten , die sich im freiliegenden Holz entwickeln können. 

Risse im Holz und Rindentaschen sind besonders wichtig für Fledermäuse, die unter der Rinde und in Spalten nisten. Genauso wie Rindenverletzungen begünstigen sie die Entwicklung von Pilzen, die ihrerseits die Besiedlung durch xylobionte Käfern und von anderen Insekten begünstigen. So wird der lange Prozess der Holzzersetzung in Gang gesetzt. Grossflächige Rindenverletzungen kommen auch den Vögeln zugute: Einige Arten nisten unter teilweise abgebrochener Rinde, andere verstecken dort ihr Futter oder ernähren sich von den vorhandenen Insekten. Sie dienen zudem Hemiptera (Rindenwanzen) und Spinnen als Heimat. Auch bestimmte Flechtenarten entwickeln sich vorzugsweise auf freigelegtem Holz (Candelariella xanthostigma, Physcia tenella, Xanthoria parietina).

Man unterscheidet 9 verschiedene Typen.

Kronentotholz

Kronentotholz besteht aus toten Ästen im Kronenbereich. Nebst toten Ästen gehören die zwei Typen abgebrochene Starkäste und abgebrochene Kronenspitzen zu dieser Form. Aufgrund seiner sonnenexponierten Lage bietet Kronentotholz meist warmtrockene Lebensbedingungen. Abgestorbene Äste in der Krone sind ein hervorragender Lebensraum für Insekten, insbesondere für xerothermophile Käfer, die eine warme und trockene Umgebung benötigen. Vögel auf Nahrungssuche fliegen gerne die toten Äste an, weil diese ein ausgiebiges Mahl an den vorhandenen Insekten versprechen. Und je nach Zerfallsstadium des Holzes entwickeln sich auf den toten Ästen Pilze: Auf wenig zersetztem Holz ist der Gemeine Spaltblättling (Schizophyllum commune) anzutreffen, während Porlinge wie etwa der Schwarze Birken-Feuerschwamm (Phellinus nigricans) oder der Rostbraune Feuerschwamm (Phellinus ferruginosus) typisch sind für fortgeschrittenere Stadien des Abbaus. Spezifische Flechtenformationen sind ebenfalls von den Lebensraumbedingungen abhängig. Zu den typischen auf Rinden abgestorbener und gut besonnter Äste lebenden Arten zählen Lecanora pulicaris, Lecanora chlarotera und Pseudevernia furfuracea.

Wucherungen

Wucherungen entstehen meist durch reaktives Wachstum infolge eines parasitischen oder mikrobiellen Angriffs, indem der Baum spezifische Strukturen bildet, um den Krankheitserreger zu isolieren (z.B. Krebse, Maserknollen und Hexenbesen). Dazu gehören auch Wasserreiser, die sich nach erhöhter Lichteinwirkung bilden können. Vier Typen gehören zu dieser Form.

Feste und schleimige Pilzfruchtkörper

Feste und schleimige Pilzfruchtkörper sind der sichtbare Teil von saproxylischen Pilzen oder pilzähnlichen Organismen wie Schleimpilze (Myxomyceten). Es werden kurzlebige, d.h. weniger als ein Jahr sichtbare, und mehrjährige Fruchtkörper unterschieden. Solche Pilzfruchtkörper können vielen mykophagen Pilzen, die also selbst von Pilzen leben, als Substrat dienen. Auch für viele spezialisierte Insekten stellen Pilzfruchtköroper eine Nahrungsquelle dar. Dies ist etwa beim Baumschwammkäfer (Litargus connexus), beim Rotfleckigen Faulholzkäfer (Tritoma bipustulata) oder beim Schwarzkäfer (Bolitophagus reticulatus) der Fall. Die Fruchtkörper saprophytischer Pilze deuten per se auf eine hohe Artenvielfalt hin, doch begünstigen sie auch andere Waldarten wie Käfer, Dipteren, Schmetterlinge und Motten sowie Rindenwanzen. Insgesamt gehören fünf Typen zu dieser Form.

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Epiphytische, epixy­lische oder parasitische Strukturen

Epiphytische, epixy­lische oder parasitische Strukturen umfassen verschiedenste Gebilde, wobei der Baum nur als physische Stütze dient, auf dem sich das Mikrohabitat befindet. Dazu gehören Moose, Flechten, Farne, Efeu oder Misteln, sowie Nester von Wirbeltieren und Wirbellosen. Moose und Flechten beherbergen zahlreiche Insekten, die den Vögeln insebesondere im Winter als Nahrung dienen. Der Efeu seinerseits bietet sowohl Vögeln als auch Insekten zustätzliche Mikrohabitate. Besonders erwähnenswert sind die sogenannten Mikroböden, die aus organischem Material, wie zerrottenden Blättern, Rinde oder Moosen, enstehen und sich entweder am Stamm, an Zwieselansätzen oder an flachen Stellen in der Krone bilden können und wo sich auch Mykorrhizapilze entwickeln können. Neun Typen gehören zu dieser Form.

Ausflüsse

Ausflüsse sind aktive Saft- oder Harzflüsse. Zuckerhaltiger Baumsaft, der aus Wunden herausdrückt, zieht gewisse Käferarten magisch an. Hirschkäfer lecken beispielsweise gerne an diesem austretenden Saft an Eichen. Auch Schmetterlinge profitieren davon. Zudem wachsen bestimmte Flechtenarten bevorzugt an solchen Stellen. Man unterscheidet nur diese beide Typen.

Links und Dokumente

  • Read, H. (ed.) (2000). Veteran trees: A guide to good management (2000). Published by Natural England).
  • Larrieu, L.; Paillet, Y.; Winter, S.; Bütler, R.; Kraus, D.; Krumm, F.; Lachat, T.; Michel, A.K.; Regnery, B.; Vanderkerkhove, K., 2018: Tree related microhabitats in temperate and Mediterranean European forests: a hierarchical typology for inventory standardization. Ecological Indicators, 84: 194-207.